Neues Altes aus der Ökokiste
Warum Diversität auf Feldern und Tellern so wichtig ist.
Spätestens seit Beginn der Industrialisierung geht es um Effizienz und Effektivität, um Wirtschaftlichkeit und Ertrag. Alte, samenfeste Sorten wurden vor allem auf Geschmack und Standorteigenschaften hin gezüchtet und sind in vielen Fällen nicht so ertragreich. Bei den modernen Hybridsorten liegt der Fokus auf Gleichförmigkeit, Optik und Ertragfähigkeit, deren Vorteile für den Handel und die Bauern klar auf der Hand liegen.
Apfel nach Vorschrift
Die klassischen Tafelobstsorten etwa wurden so gezüchtet, dass sie einheitlich große Früchte bringen, leicht zu ernten sind und immer gleich gut schmecken – egal aus welchem Land sie kommen.
Strenge EU-Richtlinien haben ebenfalls ihren Teil dazu beigetragen. Etwa in puncto Vielfalt bei Äpfeln,indem Qualitätsnormen wie Größe und Gewicht und sogar die Beschaffenheit des Stiels genau festgelegt wurden. Das beliebteste Obst der Deutschen ist so zu einer Art Industrieprodukt geworden.
Dabei gibt es Tausende Apfelsorten, genauer gesagt: etwa 20.000. Die meisten der „klassischen“ Sorten sind allerdings nicht viel mehr als 100 Jahre alt – und das, obwohl bereits die alten Römer verschiedene Sorten kultivierten. Auch wenn die Auswahl an Äpfeln auf den ersten Blick groß zu sein scheint, hat das Obst in den vergangenen 50 Jahren viel von seiner Vielfalt eingebüßt. Lediglich 25 Sorten werden im Erwerbsobstbau kultiviert und nur sieben davon regelmäßig im Handel angeboten: Boskoop, Cox Orange, Golden Delicious, Elstar, Gloster, Jonagold und Granny Smith. Die Standardisierung des Apfels begann in den 1970ern mit der Rodung alter Apfelbäume und dem Anbau ertragsorientierter Plantagen, später trugen strenge EU-Richtlinien zur Beschneidung der Sortenvielfalt bei.
Projekt Zukunft
Schätzungen haben ergeben, dass 75 Prozent aller Kulturpflanzen, die es vor 100 Jahren noch gab, verschollen sind. Verschollen heißt in diesem Zusammenhang: Sie wurden nicht mehr angebaut und es sind deshalb keine Samen mehr auffindbar. Die Rettung alter, samenfester Sorten aber ist immens wichtig. Zum einen, um die biologische Vielfalt zu erhalten. Zum anderen, weil ihre genetische Vielfalt und spezifischen Sorteneigenschaften vielleicht noch für medizinische Wirkstoffe oder neue Kreuzungen notwendig werden können. Einige unserer Betriebe erzeugen deshalb auch biologisches Saatgut, mehr dazu findet Ihr im Artikel „Gute Saat“ hier im Blog.
Abwechslung auf dem Teller
Ökokisten-Betriebe bieten deshalb eine große Auswahl an alten und kaum bekannten Sorten an und leisten damit einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Diversität. Aber auch kulinarisch haben ungewöhnliche Sorten einiges zu bieten: Sie bringen geschmacklich und optisch Abwechslung auf den Teller – darüber hinaus enthalten sie oft auch mehr Nährstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe, weil sie langsamer wachsen. Schaut doch mal gezielt bei Eurem Lieferbetrieb nach echten Raritäten und alten Sorten, die man sonst nur selten findet. All die verschiedenen Geschmäcker, Aromen, Farben und Formen, die die Natur zu bieten hat, wollen wir Euch nämlich nicht vorenthalten. Isst man immer nur das typische „Supermarkt-Programm“, vergisst man schnell, dass Karotten nicht immer gleich schmecken, dass es viel mehr Kohlsorten gibt als rot oder weiß, dass es Kartoffeln von länglich bis rund und von hellbeige bis dunkelviolett gibt, die vollkommen unterschiedlich schmecken. Oder tretet doch mal eine Zeitreise in Eure Kindheit an, indem Ihr in einen Weißen Klarapfel beißt!
Bilder: Ökokiste e.V.